Innovationen in und aus der Verwaltung
Die öffentliche Verwaltung spielt eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens. Dabei steht sie vor großen Herausforderungen: Klimakrise, demografischer Wandel oder Digitalisierung sind komplexe Problemlagen, die neue Antworten erfordern. Routinierte Verwaltungsprozesse stoßen angesichts dieser dynamischen und hochkomplexen Entwicklungen schnell an ihre Grenzen. Das muss aber nicht sein.
Denn gleichzeitig sind in den letzten Jahren neue Arbeitsansätze, Werkzeuge und Technologien entstanden, die es ermöglichen, besser mit den Anforderungen der Gegenwart umzugehen. Sie bieten die Chance, die Interaktionen zwischen Staat und Gesellschaft neu zu gestalten – und eröffnen damit auch vielfältige Perspektiven für die öffentliche Verwaltung.
Menschen im Mittelpunkt
Wenn Erneuerungsvorhaben in der Verwaltung begonnen werden, orientieren sie sich bisher meist an Gesetzen, Regulierungen oder Vorschriften. Dabei werden Leistungen der öffentlichen Verwaltung nicht von Gesetzen genutzt, sondern von Menschen. Was auf den ersten Blick selbstverständlich klingt, ist es bei näherer Betrachtung oft nicht: Dass ein Angebot der Verwaltung nur dann ein Erfolg ist, wenn es mit den Bedürfnissen und Werten der Menschen übereinstimmt, die es nutzen. Die Werkzeuge der so genannten menschzentrierten Gestaltung nehmen die Haltungen, Wünsche und Erwartungen betroffener und verantwortlicher Personengruppen zum Ausgangs- und Endpunkt. Für die beschriebenen Methoden in diesem Buch bilden sie eine wichtige Grundlage.
Veränderung als Konstante
Menschen ins Zentrum zu stellen bedeutet zugleich, Veränderungsprozesse für externes Feedback zu öffnen und Überraschungen zuzulassen. Das klassische „Wasserfall“-Modell, in dem zuerst umfassend geplant und anschließend umgesetzt wird, erweist sich dabei als unzureichend. Wenn erst nach Projektabschluss festgestellt wird, dass die Ergebnisse weder Akzeptanz finden noch wie erwartet funktionieren, dann ist es zu spät.
Um Veränderungen erfolgreich zu gestalten, ist stattdessen ein schrittweises Herantasten an mögliche Lösungen erforderlich. Dabei gilt es, einerseits die tatsächlichen Ursachen eines Problems genauer zu ergründen, andererseits verschiedene Lösungsansätze zu erproben und kontinuierlich weiterzuentwickeln. Der Schritt in die praktische Umsetzung steht dann gewissermaßen nicht am Ende, sondern am Anfang eines Lernprozesses, bei dem das Ergebnis immer wieder an neue Erkenntnisse angepasst wird. Das Prinzip des agilen – also anpassungsfähigen – Arbeitens ist für die hier vorgestellte Vorgehensweise wegweisend.
Mut und Möglichkeit zum Experimentieren
Agile Projektentwicklung erfordert eine Arbeitskultur, die eine übergreifende Zusammenarbeit und Selbstorganisation der Mitarbeiter:innen zulässt und fördert. Im Zentrum gelungener öffentlicher Innovationen stehen kompetente Menschen, die eigenverantwortlich handeln können. Dazu bedarf es Transparenz, Offenheit und gegenseitiger Wertschätzung.
In stark hierarchischen Organisationen müssen mitunter erst einmal die Grundlagen für solche Kooperationsformen geschaffen werden. Innovationsvorhaben, wie in diesem Buch angeleitet, können bewusst dazu genutzt werden, in einem abgesteckten Rahmen mit Routinen zu brechen und bestehende Abläufe zu hinterfragen. Oft sind die Erfahrungen damit so positiv, dass sie Anstoß für tiefer greifende Veränderungen geben.
Um mit neuen Möglichkeiten zu experimentieren werden geschützte Räume benötigt, in denen solch ein Perspektivwechsel möglich und auch Scheitern erlaubt ist, sofern es neue Erkenntnisse produziert. Mit diesen Räumen sind weniger abgetrennte physische Orte gemeint (auch wenn das helfen kann), sondern in erster Linie Zeit, Ressourcen, Legitimation und Vertrauen.